Wanderungen, Akademiker und Mieten in Deutschland

Die jüngsten Mietsteigerungen auf dem Wohnungsmarkt sind stark durch eine gestiegene Nachfrage nach Wohnraum in den großen Städten getrieben. Dabei kommt den Wanderungsbewegungen von jungen Akademikern in die Großstädte eine gewichtige Rolle zu. Die Grafiken zeigen den Nettozuzug nach Kreisen von 2011 bis 2016 der Gesamtbevölkerung und der 18- bis 30-Jährigen, sowie die Entwicklung des Akademikeranteils 2012 bis 2015.

Wanderungen 2011 bis 2016, in % der Bevölkerung 2011. Daten: Statistisches Bundesamt und Bundesamt für Katographie.
Wanderungen von 18- bis 30-Jährigen in Deutschland, 2011 bis 2016, in % der Bevölkerung 2011. Daten: Statistisches Bundesamt und Bundesamt für Katographie.
Entwicklung des Akademikeranteils 2012 bis 2015. Daten: BBSR und Bundesamt für Katographie.

Die Entwicklung der Nettokaltmieten von Juli 2011 bis Oktober 2018 (nominal) deckt sich gut mit diesen Bildern. Die Daten stammen aus der Datenbank von www.mietckeck.de. Die Gipfel sind vor allem die großen Städte Süddeutschlands. Außerdem ist die Region Berlin von massiven Steigerungen der Mieten betroffen.

Daten: www.mietckeck.de und Bundesamt für Kartographie

Eine verbreitete Erklärung ist, dass junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte aufgrund guter Verdienstmöglichkeiten in die Städte drängen und dort zudem vom  sehr guten Freizeitangebot profitieren. Couture et al. (2018) entwickeln in dem Zusammenhang einen interessanten Ansatz: Der Teil der örtlichen Bevölkerung, der nur über ein geringes Einkommen verfügt, profitiert wenig von Produktivitätszuwächsen und dem Freizeitangebot, ist aber den höheren Mieten ausgesetzt. Dadurch vergrößern die Mietsteigerungen die gemessene Ungleichheit bei den Einkommen teils massiv.

Vortrag zum Thema Wohnungsknappheit

Am 10.12.2018 habe ich im Regierungspräsidium in Stuttgart im Rahmen einer Fortbildung für Gymnasiallehrer einen Vortrag zum Thema Wohnungsknappheit gehalten. Neben der Einordnung der aktuellen Situation auf dem Wohnungsmarkt ging es vor allem auch um mögliche Politiken gegen eine steigende Belastung von einkommensschwachen Haushalten durch Wohnkosten, die sich vor allem in den Metropolen Deutschlands in den letzten Jahren eingestellt hat. Hier sind die Folien zum Download.

Nürnberg: Günstige Wohnungen werden besonders schnell teurer

Wohnungen, die in Nürnberg in den Jahren 2011 bis 2013 noch vergleichsweise günstig vermietet wurden, haben in den letzten sechs Jahren besonders starke Mietsteigerungen erfahren. Das ergibt sich aus einer Analyse von Wohnungsinseraten aus 274 Gebäuden in Nürnberg. Zu jedem Gebäude gibt es sowohl 2011-2013 als auch 2017/18 mindestens ein Angebot in der mietcheck.de-Datenbank. Basierend auf den durchschnittlichen Mietpreisen für das Gebäude in den beiden Perioden habe ich den mittleren Mietpreis des Gebäudes in der ersten Periode und die Steigerungsrate der Miete für jedes der 274 Gebäude berechnet. Es zeigt sich, dass die prozentual stärksten Zuwächse in Gebäuden mit niedrigen Ausgangsmieten zu verzeichnen waren. Die jüngsten Mietsteigerungen scheinen also sozial schwache Mieter besonders stark zu treffen. Demgegenüber blieben die Mieten in Wohnungen, die bereits 2011 relativ teuer vermietet wurden, in etwa konstant.

Für die Entwicklung könnte es mehrere Erklärungen geben. Zum einen könnte Gentrifizierung zu einer Steigerung der Mieten in besonders günstigen Stadtvierteln geführt haben. Andererseits hat der starke Zuzug in die Städte und die damit verbundene Nachfrage nach Wohnraum wahrscheinlich Druck „von oben nach unten“ verursacht – Mieter aller Einkommensklassen geben sich durch die gestiegenen Preise mit etwas kleineren, schlechteren Wohnungen zufrieden, die sie zu ähnlichen Preisen mieten können wie ihre alten, etwas besseren Wohnungen. Am unteren Ende des Marktes werden dadurch plötzlich Wohnungen für Mieter mittleren Einkommens attraktiv, die vorher kaum zu vermieten waren. Dort nimmt die Nachfrage überproportional zu, und die MIetsteigerungen spiegeln das wider.

Interessanterweise ergibt sich ein ähnliches Bild aus einer Analyse auf Ebene der Postleitbezirke. Damit ist gemeint, dass auch innerhalb eines Postleitbezirkes diejenigen Wohnungen besonders starke Mietsteigerungen gesehen haben, die gemessen am Preisniveau des Postleitbezirks besonders günstig waren. Das spricht für die zweite Variante – eine ungleiche Verteilung der starken Nachfrage durch Zuzug nach Nürnberg. Gentrifizierung würde demgegenüber eher eine Aufwertung ganzer Stadtviertel (also wahrscheinlich auch einzelner Postleitbezirke) bewirken, dabei aber die Mieten innerhalb des Stadtviertels gleichmäßig anheben. Wahrscheinlich ist also, dass der allgemeine Zuzug in die Stadt wesentlich zur ungleichen Verteilung der Mietsteigerungen beigetragen hat.

Das stellt die Wohnungspolitik vor Probleme, will man die Verdrängung sozial schwacher Haushalte aus den Städten verhindern. Diese sind in besonderem Maße auf den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen.

Preise und Mieten im Großraum Nürnberg

Das Wohnen im Großraum Nürnberg ist in den letzten Jahren deutlich teurer geworden: Mieten und Preise sind ein gutes Stück höher als noch im Jahr 2011. Im Allgemeinen lagen die Preissteigerungen dabei weit über den Steigerungsraten der Mieten. Prinzipiell lässt sich das mit den Zinsumfeld, insbesondere den äußerst niedrigen Zinsen in der Baufinanzierung, erklären. Die Rendite alternativer Anlageformen ist niedrig, weshalb viele Anleger vermehrt in Wohnimmobilien investiert haben. Das drückt auch auf dem Markt für Wohnimmobilien die Rendite – die Preise steigen relativ zu den Mieten an.

Allerdings gibt es innerhalb der Region Nürnberg große Unterschiede, die sich nicht ohne Weiteres mittels des Zinsumfeldes erklären lassen. Die Grafik zeigt die (qualitätsbereinigten) Änderungsraten der Preise und Mieten je Postleitzahl, die auf Grundlage der mietcheck.de-Datenbank berechnet wurden. Mancherorts stiegen die Preise um bis zu 70%, bei Mietsteigerungen um die 15%. In anderen Teilen des Städtedreiecks Nürnberg-Fürth-Erlangen waren die Preissteigerunsraten nur unwesentlich höher als die Steigerungen der Mieten.

Entwicklung der Mieten in Nürnberg

Steigende Mieten (und Preise) in deutschen Großstädten bestimmen seit einiger Zeit die öffentliche Debatte zum Wohnungsmarkt. Dabei wird selten auf die großen Unterschiede zwischen den Städten Rücksicht genommen. Ich habe mithilfe der Angebotsdaten von https://www.mietpreischeck.de in einer hedonischen Regression durchschnittliche Steigerungsraten von Juli 2011 bis März 2018 für Nürnberg berechnet. Sie sind in der Karte dargestellt.

Die Mieten sind demnach nicht in allen Teilen der Stadt so stark gestiegen, wie das der oberflächliche Blick auf die aktuelle Diskussion um den deutschen Wohnungsmarkt nahelegt. Richtung Fürth und Schwabach stiegen die Mieten mit bis zu 26.2% teils sehr deutlich an, ebenso im Südosten des Stadtgebiets und etwas schwächer richtung Lauf an der Pegnitz. Demgegenüber stiegen die Mieten innerhalb der Stadtmauern in den letzten Jahren vergleichsweise schwach (etwa 13-15%). Dabei ist zu beachten, dass die Grafik nicht um die allgemeine inflationsbedingte Teuerung bereinigt ist. Die betrug über den selben Zeitraum in Deutschland immerhin 8.3% (Quelle: Statistisches Bundesamt/Verbraucherpreisindex).